Die Legende vom „Höllengässchen“, erzählt von Bernhard Raab:
„Wer den idyllischen steilen Fußpfad vom Campingplatz Habkirchen zur Siedlung von Bliesmengen-Bolchen hinauf begehen will, der tue dies möglichst bei hellem Tageslicht. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe. Einmal ist der wunderschöne Charakter dieses Gässchens, das früher einmal „Himmelsgässchen“ geheißen haben soll, nur bei strahlendem Sonnenschein so richtig zu erkennen. Du schreitest wie unter einem mit goldenen Ornamenten geschmückten, teils grünen, teils farbigen Baldachin dem fernen blauen Himmel über dir entgegen. Links und rechts beobachten dich stumm bebärtete und grotesk verformte Zwerge aus Wurzeln und Baumstümpfen, aber auch bebauchte bunte Riesen aus Hecken und wilden Bäumen, die sich bei Wind verneigen oder kopfschüttelnd gegen dich als ungebetenen Spaziergänger aufmucken. Und dieser Gang zum Himmel wird ständig begleitet von jubilierenden oder zarten, wohltönenden Vogelstimmen.
Ein anderer Grund, die Nacht zu meiden, ist nach der Legende das kleine Höllenteufelchen, ein buckliges, hässliches, graues Männlein, das dem nächtlichen Benutzer des Gässchens unversehens auf die Schulter springt, sich zur Siedlung tragen und unter keinen Umständen abschütteln lässt. Dabei macht es sich schwerer und schwerer, so dass auch der größte und stärkste Mann unter der unerträglichen Last am Ende des Gässchens auf dem Höllenberg in die Knie gehen muss. Beim Abspringen von der Schulter bricht das Teufelchen dann in ein unbeschreiblich hässliches Lachen aus, das in stillen und stürmischen Nächten bis zum „Schwarzen Kreuz“ und sogar bis zur Burg im Tal zu vernehmen ist. Auch wen dieses Teufelchen darstellt, weiß die Legende zu erklären: Es ist der Geist jenes bösen Rittersohnes der Burg von Mengen, der seinen älteren Bruder wegen eines Burgfräuleins der benachbarten Frauenburg aus Eifersucht am „Schwarzen Kreuz“ umgebracht hat, nachdem sich beide auf der Frauenburg getroffen und bei der Heimkehr zur Menger Burg in dem Höllengässchen bis hin zum schwarzen Kreuz gestritten hatten. Den jungen Mörder trieb es nach der Tat zum schönen Burgfräulein zurück. Auf dem Wege dahin stolperte er über einen Baumstrunk und stürzte von einer höheren Stützmauer, wie sie dort im Höllengässchen häufig zu finden sind, in ein Rebenfeld. Dabei brach er sich das Genick. Die Seele des Mörders aber irrt noch immer in Gestalt eines hässlichen, buckligen Männchens zwischen der Ruine Frauenburg und dem schwarzen Kreuz umher und lauert bei Dunkelheit jedermann auf, der das Höllengässchen betritt. So wurde nach der Legende aus dem „Himmelsgässchen“ ein „Höllengässchen“.
Für den heutigen, „aufgeklärten“ Menschen, der nichts mehr von Legenden hält, bleibt trotzdem der Rat, das Höllengässchen bei Nacht zu meiden. Fühlt er sich stark genug, das kleine bucklige Teufelchen zu überwinden oder zu ignorieren, so könnte ihm aber doch das gleiche Schicksal wie dem jungen Ritterssohn widerfahren.
Das Höllengässchen wurde aufgrund mangelnder Verkehrssicherheit Ende 2020 dauerhaft gesperrt. Nach aufwändiger, teilweise ehrenamtlicher Sanierung konnte es im Oktober 2024 wieder für die Öffentlichkeit freigegeben werden.
Text: Verein für Dorfgeschichte Bliesmengen-Bolchen e. V./Bernhard Raab
Foto: Verein für Dorfgeschichte Bliesmengen-Bolchen e. V.